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michael herrschel:
judith-lieder
1
danse macabre
Komm nicht so nah!
Du…! nicht so nah!
Ich glaub: du weißt nicht
wer ich bin?
Was von mir ausgeht?
Von Asphodelosblüten
ein weißer Duft:
Kann er dir fremd sein?
Hast vielen selber doch
den Tod gebracht.
Und kannst kein Zeichen mehr
mit deiner Nase lesen?
Ich sehe sie
in ihrer roten Größe:
O dieses Horn
von Fleisch und Gier
bleibt immer dumm
so dumm wie du!
Du hast mich aufgefordert:
hier, wo alles lacht,
Verzückung heuchelt
aus Angst, aus Angst vor dir.
Du hast Musik bezahlt
gescheiter als du selbst:
gar abgefeimte edle Töne
die mir das Mark
aus meinen Knochen saugen.
Und du mit deinen
plumpen Füßen
spürst nicht mal, wo du hintrittst!
Ich schieb dich weg
mit jedem Schritt,
verströme meinen Duft
und brüte Rat aus
hinter meiner Stirn.
Mir graut!
Mir graut
vor dieser Nacht!
2
der kopf
Ich atme. Sein Schwert
in meiner Hand
kratzt lustlos am Boden.
Was willst du, mein Eisen?
Ich sage dir: Schnell!
Schnell, durch den Hals!
Du zauderst: „Nein.
Ich töte keinen Schlafenden.
Sieh ihn dir an:
So kläglich. Blöd und grob.
Zitternder, krauser Bart.
Der Knochenbau
von einem schweren Tier…“
Schweig, dummes Eisen!
Was redest du?
Gehorchen sollst du!
„Ja. Ich gehorche.
Bin dein Diener. Schau,
ich zeig dir, was ich kenne:
seinen Kopf.
Hier in der Hohlheit
hinter seiner Stirn
vermute ich, dass Träume hausen,
wehrlos blind,
wie aller Menschen Träume…
Und schau: sein Rachen –
schau durch das Fleisch hindurch!
Sein Gaumensegel flattert –“
Es flattert! Scheußlich, ja!
Zum Verstummen bring ich es
jetzt, wo die Leibwache schläft.
„Oh, ihr Schlaf ist leicht.
Sieh dich vor: gleich
fall ich dir aus der Hand –“
Nein! Ich halte dich!
„Nicht fest genug.
Sie fassen dich.
Und flugs erhebt sich
sein Kopf!“
Der Kopf? Der Kopf soll schweigen!
Für immer schweigen!
Ich befehl es dir:
Gehorche, du Schwert! Ja!
Gehorche! So! und so! und – so!
3
pizzicato
Es ist vorbei!
Will niemand mich
umarmen?
Warum gibt niemand
mir einen Schluck
zu trinken?
Ich verdurste
vor euren Augen!
Und ihr?
Ihr zündet Freudenfeuer an,
lasst eure Becher kreisen,
preist lallend meinen Mut:
Redet von mir,
als wäre ich schon tot,
ein kaltes Bildnis
droben in den Sternen!
Aber ich bin
aus Fleisch und Bein
und wandle auf der Erde.
Wagt niemand es, mir nur
die Finger zu berühren,
die immer zittern
seit meiner Tat?
Von ferne nur
späht ihr nach mir,
streift mich mit Blicken…
Wie das zwickt!
Wie das kneift!
Was ärgert ihr mich?
Nennt mich berühmt?
Ich will’s nicht sein!
Ihr sagt: Ich habe euch
befreit. Ich frage euch:
Soll ich als einzige
gefangen bleiben?
Die Heldin, die bejubelte,
will frei sein, frei wie ihr!
Kommt, ladet mich
an euren Tisch!
Reicht mir die Hand:
Ich will den Tag
mit euch anbrechen sehen,
den Tod vergessen,
ohne Besinnung, ohne Maß
in diesen Morgen
mit euch feiern,
in diesen blendend hellen
jungen Tag!
copyright by michael herrschel (gema-nr. 704152)
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