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michael herrschel:
rahels wut
1
filou
Jakob:
du schlanker Dieb!
So unschuldig zart
wie du deine Augen
vor mir aufschlägst.
So ohne Scham
wie du mich ansiehst.
Wie du so bist: frei heraus.
Und auf und ab spazierst
und in die schönen Hände
nimmst was dir gefällt.
Wie machst du das?
Ich will das auch:
so sein wie du.
Ich überlasse dir so viel:
als ob schon alles
dir gehören würde.
Wie bringst du mich so weit?
Ich spitze meine Ohren. Lausche
auf deine Stimme nebenan.
Du redest mit dem Alten.
So verschwörerisch. Was planst du?
So verstohlen. Ich könnte glauben
du machst dich wieder klein
vor seinem harten Herzen:
wenn ich nicht wüsste
wie du ihn verachtest.
Was redet ihr? Es geht um mich.
Um uns. Wir werden für immer
zusammen sein. Was habt ihr da
zu tuscheln? Musst du ein
Geheimnis daraus machen?
Ich will nicht länger so leben:
so eingeschlossen. Hilf mir. Du.
Hilf mir ins Freie! Ich kann
nichts anderes mehr denken.
Ich bin ein Raubtier
das nach Leben schreit.
Alles in mir drängt sich danach
den Kopf zu verlieren
über diesem Sehnen!
2
was ich nicht will
Irgend etwas ist hier faul.
Das ganze Haus ist auf den Beinen.
Warum fragt niemand:
was ich mir wünsche für das Fest?
für diesen Tag der mir gehört?
an dem ich groß bin! endlich groß:
Ich stehe auf. Ich reiche dir die Hand
und alle sehen uns: eng umschlungen.
Wir gehen durch das Tor hinaus
für immer fort. Wann endlich? Wann?
Es kostet solche Mühe: still zu warten.
Nichts zu wissen. Und alle tun so heimlich.
Die Schwester schaut mir kaum ins Gesicht.
Sie zieht den Kopf ein. Beißt ihre Zähne,
ihre schiefen Zähne zusammen.
Mein Jakob flüstert: Sei geduldig!
Es fügt sich alles wie im Traum…
Ach Jakob: Ich bin kein Kind,
weißt du? Rede anders mit mir!
Morgen. Ich bitte dich…
Das Haus verstummt. Wieder ein Tag
verloren. Die heiße schwere Luft
begräbt mich… Jetzt musst du bei mir sein:
Ich greife dich aus einem Windhauch…
Meine Finger verschlingen sich in deine…
Alles wird leicht. Ganz leicht.
Unsere Füße schweben über den Boden…
Du bist so sanft. Wie du dich drehst.
Ich mag den Duft von deinen Haaren.
Mag deine stachligen Wangen.
Und das Pochen in deiner Brust…
Ich liebe dich, Jakob. So stark
wie keinen Menschen auf der Welt.
Liebst du mich auch so?
Dein Puls muss Antwort geben…
Warum nur so leise?
Du entgleitest mir.
Deine Gestalt verschwimmt.
Und ich bin hellwach:
Du bist ja gar nicht bei mir!
Aber ich höre dich?
Du bist bei einer anderen!
Wer ist sie? Wer?
Ihre Stimme klingt ja wie –
wie Lea!
Lea: du falsche giftige – du –
du Schwester! Du hast ihn verhext!
Er würde mich nie verlassen!
Nie für dich – ah!
Ich will nicht mehr atmen!
Ein Messer her!
dass ich mir die Adern öffne!
Ich will nicht mehr sein!
3
am brunnen
Ihr seid genügsam.
Ich bin es nicht.
Schläfrig geduldig
ruht ihr bei mir
im Schatten.
Lasst euch kraulen
zwischen den Ohren.
Die Klauen betasten
und das geschorene Fell.
Habt ihr Schmerzen?
Nein. Nirgends.
Heute ist alles gut.
Ihr hungert nicht.
Spart in den Mägen
das gekaute Gras.
Wartet auf das
glitzernde Wasser
das die Frauen
aus der Tiefe holen.
Eimer um Eimer
ziehen sie es hoch
mit straffen Sehnen…
Und ihr springt auf:
zur Tränke. Tunkt eure
Münder in die Kälte.
Züngelt. Schlürft und
blökt und stolpert.
Rempelt aneinander.
Tollt übers Gras: bis ihr
umfallt und wieder schlaft.
Und ich hocken bleibe.
Spähend: nach dem Widder
mit dem ich zerstritten bin.
Ob er sich das traut: hierher
zurück zu kommen? Zu mir?
Dass ich ihn scharf ansehe?
In seinen Augen forsche?
Dass ich ihn bei den
Hörnern packe: Du!
Wie kannst du das erklären?
Wie das ungeschehen machen?
Wie? Sag: Wie willst du
dich mit mir versöhnen?
4
tausch der gestalten
Die Nacht hat so ein großes
so ein verboten großes Maul.
So aufgerissen. Und strotzend voll
von blinkenden spitzen Beißzähnen.
Die lauern uns auf. Wir müssen tun
als wären wir schon tot. Wir beide:
Stumm daliegen. Lang ausgestreckt
im Sand. Ganz eins mit den Dünen.
Vom kalten Windstrom überflutet.
Korn für Korn davon getragen.
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ich löse mich aus deinem Umriss.
Von jeder Pore deines Körpers.
Die Lippen von deinen nassen Lippen.
Die Hände von deinen Schulterblättern.
Die Zehen gleiten von deinen Schenkeln.
Die Lenden heb ich von deinem Schoß.
Jakob! Satt, so satt geschlungen
hat sich mein dummes Herz an dir.
Und klar und offen seh ich deine Pläne
und dass du nie die meinen teilst.
Obwohl wir uns so ähnlich scheinen.
Zwei Schatten, zum Verwechseln gleich.
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ich mach mich aus dem Staub in deinen Sachen.
Und lasse dir meine. Wenn du aufwachst:
Such nicht nach mir. Geh heim. Für mich.
Ich kann nicht mehr zurück. Aber du,
du wirst von mir erzählen: so, dass
sie sich an mich erinnern werden.
Schlaf weiter. Ich warte bis die Nacht
vor Wolken blind und zahnlos ist.
Ehe ihr Kiefer nach mir schnappt
fliehe ich zu fremden Wasserquellen.
copyright by michael herrschel (gema-nr. 704152)
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